Auf diese Idee muss man erst einmal kommen. Von einer genialen Saison zu sprechen. Denn rein sportlich gesehen war das kein gutes Jahr für die Kickers-Frauen. Alle drei Großfeldteams sind abgestiegen und orientieren sich jeweils in einer Liga darunter (Erste, U23) beziehungsweise in der Liga der Junioren (U16) in der kommenden Spielzeit neu.
Woher kommt dann also dieses Fazit, von einer genialen Saison zu sprechen? Weil es eine Spielzeit war, in der Dank völligem Neuaufbau die Möglichkeiten sehr intensiv genutzt wurden, die eigene DNA offenzulegen und zu erkennen, was die eigenen Stärken im Mädchen- und Frauenfußball sind. Denn vieles von dem, was an Innovationen und Neuausrichtung umgesetzt werden konnte und weiter umgesetzt wird, ist bislang vor allem im Maschinenraum vonstatten gegangen.
Der Umbruch kam hart – und das ist gut so
Die Veränderungen in den Kadern der Frauenteams waren im Vergleich zur Vorsaison in ihren Wirkungen deutlicher, als zunächst vermutet. Der Abgang von Leistungsträgerinnen am Ende der letzten Saison bei gleichzeitigem Aufstieg in die dritte Liga hat dazu geführt, dass der Blick noch intensiver auf den eigenen Nachwuchs gerichtet wird. Die harte Landung beider Frauenteams hat diese Notwendigkeit mehr als verdeutlicht. Nachhaltige und langfristige Nachwuchsförderung war bereits das Ziel vor der Saison. Wie wichtig dies aber für den zukünftigen Erfolg sein wird, hat die abgelaufene Saison zum Glück nochmal verdeutlicht.
Nachwuchsförderzentrum in den Fokus rücken
Es war auch deshalb eine geniale Saison, weil das zehnjährige Jubiläum des Nachwuchsförderzentrums für Juniorinnen die besondere Stärke deutlich gemacht hat. Mit Geduld und klugem Konzept den eigenen Nachwuchs auszubilden und auch personell eng mit den Frauenteams zu verknüpfen. In den letzten beiden Spielzeiten sind die ersten Spielerinnen aus der eigenen Talentschmiede in die Frauenteams integriert worden. Die Rückrunde in beiden Teams hat gezeigt, dass dieser Weg erfolgversprechend ist und gleichzeitig auch Zeit benötigt. Klar ist aber, dass das Nachwuchsförderzentrum im Maschinenraum der Kickers der entscheidende Motor sein wird.
Das Bilbao in Bayern
Ein aufmerksamer Beobachter aus dem Umfeld des Frauen-Leistungsfußballs hat hierfür den Begriff des bayerischen Bilbaos geprägt. Mit Talenten aus der Region intensiv arbeiten, diese gut ausbilden und zum Grundgerüst der Kickers-Frauen heranreifen lassen. Ergänzt wird das Nachwuchsförderzentrum als Motor um leistungsorientierte Spielerinnen, die es für Studium oder Beruf nach Würzburg zieht und durch ihre Erfahrung den Transmissionriemen darstellen. Durch eine stringente und systematische Ausbildungsphilosophie bei den Juniorinnen wird so die zentrale Statik für erfolgreichen Leistungsfußball der Frauen gelegt. Das benötigt aufgrund der erst zehnjährigen Geschichte des NFZ noch Zeit, wird aber zukünftig zum Erfolg führen.
Massive Qualifikationsoffensive bei den Trainer:innen
Die jüngst beendete Spielzeit ist auch deshalb eine geniale Saison, weil sieben Trainerinnen auf dem Weg zur B-Lizenz sind oder bereits erfolgreich absolviert haben – es hat sich in dieser Spielzeit ein Team junger und engagierter Trainer:innen geformt, das die Philosophie der Nachwuchsförderung aktiv gestaltet und auf den Platz bringt. Eindrucksvoll zu beobachten war das Personaltableau anlässlich des zehnjährigen NFZ-Jubiläums und lässt sich auch am Team hinter dem Team ablesen. Über 30 Trainer:innen, Betreuer:innen, Support-Staff wie Vereinsmanager und Physiotheprapeutin bis hin zur sportpsychologischen und pädagogischen Betreuung wurden in dieser Saison akquiriert und werden das zukünftige Kompetenzzentrum für den Kickers-Frauenfußball ausmachen.
Auszeichnungen über Auszeichnungen
Wie schon in der Anfangszeit des Mädchenfußballs am Heuchelhof, als allein zwischen 2010 und 2014 ein Dutzend nationale Preise gewonnen werden konnten, wird auch der weibliche Nachwuchsfußball made in Würzburg in dieser Saison mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt. Allen voran zu nennen ist der „Stern des Sports“ in Gold des deutschen Olympischen Sportbundes, feierlich vom Bundeskanzler Anfang des Jahres überreicht. Bundesweite Aufmerksamkeit für die Nachwuchsarbeit war die Folge. Hinzu kommt noch der Präventionspreis der VBG, der normalerweise nur Profivereinen für gesundheitliche Präventionsarbeit vorbehalten ist sowie die Sepp-Herberger-Urkunde des DFB für die Talentförderung der Kickers-Frauen.
Infrastruktur wie bei den Profis
Besonders stolz sind die Kickers-Frauen auf den Aufbau der Infrastruktur und der Fördernetzwerke in der abgelaufenen Saison. Allen voran ist die Etablierung von zwei Sportförderklassen an der St. Ursula-Schule zu nennen. Jeweils eine fünfte Klasse im Gymnasial- und im Realschulbereich wird mit vier bzw. fünf Sportstunden den Anfang für den Aufbau des Förderschwerpunkts Juniorinnen-Fußball an der Würzburger Mädchenschule machen. Los geht es bereits in diesem September mit dem neuen Schuljahr. Hinzu kommt noch der bereits seit zwei Schuljahren bestehende Sport-Ganztag für Mädchen in Kooperation mit der Grundschule Heuchelhof, um Mädchen bereits frühzeitig auch im schulischen Kontext zu fördern. Dazu gibt es noch den neuen, professionellen Reha-Bereich mitsamt Physiotherapeutin sowie der personelle Ausbau im Bereich sportpsychologischer und pädagogischer Betreuung der Spielerinnen.
Eine geniale Saison Dank der Spielerinnen
Alles in allem war es eine geniale Saison aufgrund der enormen Dynamik, die hinter den Kulissen nochmals an Fahrt aufgenommen hat und eine sehr gute Vorbereitung auf die Zukunft ermöglicht. Massive Qualifizierung der Trainer:innen, starker Ausbau des Kompetenzteams in allen Bereichen, personelle Aufstockung und die weitere Verbesserung der sportlichen Infrastruktur sind die besonderen Leistungen in dieser Saison hinter den Kulissen. Und gerade wegen der sportlichen Situation im Verlauf der Spielzeit war es eine geniale Saison. Gerade in schwierigen Zeiten zeigt sich der wahre Charakter eines Teams. Es war eine geniale Saison, weil sich alle Spielerinnen trotz der sportlichen Herausforderungen immer wieder zusammengerauft und gemeinsam gekämpft haben. Karlsruhe, Schweinfurt, Dorteilweil, Freiburg sind die Partien, die aufgrund dieser Geschlossenheit in dieser Saison in Erinnerung bleiben werden. Und das waren wahrlich geniale Spiele!
Foto: Julien Christ / sportfotografie.de - Design: #fwkfrauen