14.10.2022

Bayerischer Fußball-Verband wieder mit irrer Entscheidung

Ein großer Fußball-Verband kann es nicht allen Recht machen. Er muss auf die Einhaltung bestimmter Regeln achten. Warum aber die mangelhafte Förderung von Mädchen im Fußball ungeschriebenes Gesetz im Verband ist, bleibt ein Geheimnis. Selbst vor irren Begründungen schreckt der Verband wiederholt nicht zurück.

 

Es könnte so einfach sein. Emma und Sofia sind Jahrgang 2013 und sind Spielerinnen in der U12 bei den Kickers-Frauen. Nur, dass sie da der Bayerischen Fußball-Verband nicht sehen will. Weil die Kickers-Frauen besonders talentierte Spielerinnen fördern möchten und dies sehr erfolgreich durch den Spielbetrieb gegen Jungen schaffen, braucht es den sogenannten jahrgangsversetzten Spielbetrieb.

 

Das heißt konkret, dass U12-Mädchen eigentlich gegen U11-Jungen spielen müssen, weil wissenschaftliche Studiendie körperlichen Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen ab der Grundschule zeigen. Jungen sind den Mädchen im Schnell-Rennen, Springen und im Umgang mit dem Ball teilweise um bis zu einem Jahr voraus. Die U14-Juniorinnen der Kickers zeigen, wie gut dieses Fördermodell funktioniert. Sie dürfen gegen U13-Jungen spielen und werden dadurch so gut ausgebildet, dass sie jüngst ein bayernweites Turnier der U15-Mädchen gewonnen haben. Übrigens im Beisein des aktuellen BFV-Präsidenten.

 

Verwirrende Argumentation des BFV

 

Emma und Sofia haben davon aber nichts. Denn der Bayerische Fußball-Verband hält nicht viel von Fakten und sportwissenschaftlich belegten Unterschieden. U12-Mädchen dürfen laut BFV deshalb nicht gegen U11-Jungen spielen, weil sie bis zum Alter von zwölf Jahren in Körpergröße und Gewicht den Jungen gleichzustellen seien. Verwiesen wird dabei auf eine Studie von 2013 des Robert-Koch-Instituts. Klingt wissenschaftlich und das RKI ist es natürlich auch. Aber wer Argumente finden will, findet auch solche, die keine sind und interpretiert die Daten des RKI wahlweise mit sorgloser Ahnungslosigkeit oder vielleicht mit Hintergedanken?

 

Denn für Leistungsunterschiede im Fußball sind nicht Größe und Gewicht entscheidend, sondern Schnellkraft, also schnell sprinten können, Maximalkraft, also bspw. beim Springen oder bei der Schusshärte und natürlich die sogenannte Objektkontrolle, also der Umgang mit dem Ball. Und in diesen drei Bereichen liegen die Mädchen hinter den Jungen. Sagt nicht nur jede sportwissenschaftliche Studie. Das sagt auch das internationale Pendant derjenigen Studie, die breitbeinig vom BFV fehlinterpretiert wird. Die hat der BFV vielleicht noch nicht gelesen.

 

Selbst der DFB ermöglicht jahrgangsversetztes Spielen

 

Übrigens, wäre Körpergröße ein wichtiges Merkmal für erfolgreiche Fußballer, dann wären Messi und Lahm, Scholl und Häßler nie Fußballer im Weltklasseformat geworden. Naja und das Gewicht? Muss man nach BFV-Vorstellung dann besonders kilohaltig sein, um Leistungsfußball zu spielen? Emma und Sofia wären sicherlich irritiert, wenn sie statt Obst und Gemüse nur noch Chips, Cola und Schokolade zum Frühstück bekommen würden.

 

„Auf Verwunderung treffen bei uns aber weder die Entscheidung noch deren Begründung“, sagt Heinz Reinders lakonisch. Er kennt sowohl beruflich wie im Mädchenfußball das Ewig-Gestrige des BFV seit fast einem Jahrzehnt. Erst war der Verband gegen die Etablierung eines Nachwuchsförderzentrums nur für Mädchen an der Universität Würzburg, dann kam das Verbot des jahrgangsversetzten Spielbetriebs. „Beim ersten Verbot vor einigen Jahren hat der BFV noch mit Entwicklungsdaten argumentiert, die sich als Leistungswerte von Kaderathletinnen und -athleten aus der ehemaligen UdSSR und DDR der 1960er bis 1980er Jahre herausgestellt hatten“, so Reinders. „Damit sind diese Daten natürlich völlig unbrauchbar. Es wäre zum Lachen, wenn diese groteske Dummheit nicht zum Nachteil der Mädchen wäre.“

 

Denn von dieser Regelung, die vom DFB erlaubt aber nur in Bayern nicht möglich ist, profitieren die Spielerinnen. Sie haben kurze Wege zu Spielen und werden besser gefördert als in unregelmäßigen Spielrunden gegen die wenigen Mädchenteams, die es überhaupt noch in Unterfranken gibt. „Der DFB selbst will ja, dass Leistungsspielerinnen Zweikampfhärte und Durchsetzungsvermögen gegen Jungen entwickeln. Das wollen wir ja auch, dürfen wir aber nicht“.

 

Mal ja, mal nein - was denn nun?

 

Und was die Verantwortlichen bei den Kickers erst recht nicht verstehen ist das Hin und Her. Eine Saison durften die Mädchen vom Heuchelhof jahrgangsversetzt spielen. Dann wieder nicht laut Verbandsjugendausschuss. Und dann wieder doch aufgrund einer Mail des BFV-Sportdirektors Felix Jäckle. Dann kam aber Corona dazwischen, der jahrgangsversetzte Spielbetrieb war im Lockdown nicht möglich. Jetzt, nach Corona, dürfen Emma und Sofia wieder nicht. Das verbietet ihnen wiederum der Verbandsjugendausschuss und beruft sich in fachlich fraglicher Weise auf eine unschuldige Studie des RKI. Der Ausschuss besteht übrigens aus sieben Männern und einer Frau.

 

„Vielleicht gibt es ja in der Satzung des BFV einen heimlichen Paragraphen der besagt, dass Mädchen es nicht zu leicht im Fußball haben dürfen“, mutmaßt Reinders ironisch. Oder das Ewig-Gestrige und irrwitzige Begründungen gehörten die letzten 18 Jahre zur DNA des Verbandes. „Der neue BFV-Präsident hat unsere U14 siegen sehen, vielleicht ändert sich ja etwas mit der neuen Verbandsspitze“. Emma und Sofia fänden das sicherlich eine tolle Sache.

 

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