Die FC Würzburger Kickers werden im Bereich des Mädchen- und Frauenfußballs von zwei Frauen geführt. Die eine hat vor zehn Jahren mit vier Mädchen den Grundstein im Verein gelegt, die andere bringt als langjährige Spielerin und lizenzierte Trainerin wertvolle Erfahrungen in das Führungsduo ein. Während sie gemeinsam in der ersten Ausgabe der Elfen blättern, erzählen sie im Interview, worauf sie sich freuen und welche Erwartungen sie haben.
Zwei Frauen im Vorstand, jedes DAX-Unternehmen wird neidisch. Aber selbst im Frauenfußball ist das ja eine Besonderheit.
Gudrun Reinders: Ich finde, es geht um die Frage, wer sich den Job zutraut und das gemeinsame Projekt voranbringen kann. Maren und ich haben die Erfahrung und freuen uns sehr auf die Aufgaben. Als ich 2010 angefangen habe, waren vier Mädchen auf dem Platz. Mittlerweile sind es 150 Spielerinnen und wir können sehr gut den Breiten- und Leistungssport fördern.
Maren Fuchs: Meine Erfahrungen, die ich in 25 Jahren Mädchen- und Frauenfußball gesammelt habe, bringe ich sehr gerne mit ein. Es ist wichtig, das Innenleben zu kennen und die Strukturen zu verstehen. Der weibliche Fußball in der Region stirbt schneller als anderswo. Zu zweit wollen wir dem Trend etwas entgegensetzen.
Spielen Männer denn überhaupt eine Rolle beim Mädchen- und Frauenfußball der Kickers?
Maren Fuchs: Diese Frage stellt sich für mich überhaupt nicht. Klar, spielen können nur Mädels und Frauen, aber für jede andere Rolle im Verein werden engagierte, helfende Hände gebraucht, ganz egal welchen Geschlechts. Man kann doch nur gegenseitig profitieren und von jedem lernen, der mit seinen Kenntnissen und Erfahrung zur Verfügung steht. Und da sind wir im Team wirklich gut aufgestellt.
Gudrun Reinders: Wir wollen auf jeden Fall jede Spielerin ermuntern, selbst Verantwortung zu übernehmen und selbstbewusst die eigenen Fähigkeiten einzubringen. Wenn Maren und ich da ein bisschen Vorbild sein können, freut uns das. Aber wie Maren schon sagt, wer den Job gut kann, soll ihn auch machen.
Spätestens seit Fritz Keller DFB-Präsident ist, wird öffentlich über Frauenabteilungen in Profivereinen diskutiert. War das der Grund für das gemeinsame Projekt mit den Kickers?
Gudrun Reinders: Diese Diskussion ist genauso wichtig, wie sie eigentlich überflüssig sein sollte. International haben Profivereine eine Mädchen- und Frauenabteilung, weil sie den wirtschaftlichen und sportlichen Mehrwert sehen. Das hat ja nichts mit einem Gnadenbrot zu tun, wie in Deutschland zuweilen gedacht wird. Der weibliche Leistungsfußball ist ein Markt und sportlich hoch attraktiv. Darum geht es auch bei unserem Projekt. Gemeinsam einen attraktiven Mehrwert für alle schaffen: Spielerinnen, TrainerInnen und ZuschauerInnen.
Maren Fuchs: Aus meinen früheren Stationen weiß ich ja aus eigenem Erleben, wie wichtig stabile Strukturen für Leistungsfußball sind. Leistungssport, egal in welcher Sportart, braucht optimale Bedingungen. Die hatten wir bereits beim SC Würzburg. Wir haben aber auch gemerkt, dass wir für die nächsten Schritte einen Partner auf Augenhöhe brauchen, mit dem wir uns gemeinsam entwickeln können.
Was heißt das konkret?
Maren Fuchs: Flyeralarm und die Kickers verfügen über Erfahrung im Profigeschäft, im Marketing und in der Organisationsentwicklung. Ich bin selbst in einem international aufgestellten Unternehmen tätig, da erkennt man schnell das Potenzial eines professionellen Players. Wir haben mit Flyeralarm den Hauptsponsor der Frauen-Bundesliga direkt vor der Haustür. Da mussten wir einfach anklopfen und fragen: Wie sieht es aus, wollen wir da nicht was gemeinsam machen?
Wie genau sieht das Projekt aus?
Gudrun Reinders: Zunächst stehen wir am Beginn. Da geht es darum, die wechselseitigen Stärken zu benennen und zu überlegen, was wir daraus machen werden. Maren hat es schon gesagt, die Kickers und Flyeralarm sind im Profigeschäft sehr versiert, wir verstehen unser Handwerk im Leistungsfußball der Mädchen und Frauen. Diese Synergien sind enorm, wenn wir sie richtig nutzen. Sportlich geht der Blick nach oben, wohin genau sage ich Ihnen in zehn Jahren (lacht).
Maren Fuchs: Wir schwimmen schon seit Jahren hier in Würzburg absolut gegen den Trend. Bundesweit sind in den letzten Jahren die Hälfte aller Mädchenteams abgemeldet worden, wir haben im gleichen Zeitraum eine Steigerung der Spielerinnenanzahl um das 30-fache. Bei den Verbänden sollen Spielerinnen nur bei Jungs trainieren, um in die Auswahlen zu kommen, also haben wir unser eigenes Nachwuchsförderzentrum gegründet. Das wird bundesweit mittlerweile von Bundesliga-Teams wie Hoffenheim, Frankfurt oder Leverkusen angefragt. Wir bringen also gute Voraussetzungen in das gemeinsame Projekt ein. Als Würzburger Kickers können wir diese Leistungen auch überregional bekannt machen.
Wie waren die Gespräche im Vorfeld, so etwas entscheidet sich ja nicht an einem Abend.
Gudrun Reinders: Eigentlich doch, genauer gesagt bei einem Spiel am Tischkicker. Mein Mann und Thorsten Fischer haben das Spiel gemeinsam gegen Jochen Seuling (Leiter Kickers-NLZ, d. Red.) und Anna Fries (Jugendleiterin Mädchenfußball, d. Red.) gewonnen. Da war schnell klar, wir gewinnen gemeinsam und verlieren gemeinsam. Natürlich gab es Punkte, die diskutiert werden mussten. Aber es war von Beginn an eine gute Atmosphäre. Wir haben Partner gesucht, die unsere Philosophie teilen und uns unterstützen. Also, um es kurz zu machen: Gute Gespräche.
Die Mädchen- und Frauenteams spielen ab der neuen Saison mit Würzburger Kickers auf dem Rücken. Ist der Schritt zum Namenswechsel schwergefallen?
Maren Fuchs: Es ist ja so eine Besonderheit hier in der Region, dass der weibliche Fußball von Verein zu Verein ziehen musste. Von Uengershausen an die Mergentheimer Straße, von dort dann zum SC Würzburg Heuchelhof. Aber der entscheidende Unterschied ist, dass der SC Würzburg den Frauenfußball nicht wieder wegschieben will. Ganz im Gegenteil, es geht dem Verein von Beginn an um die Frage: Wie können wir den weiblichen Fußball stärken? Die Seele und Philosophie bleiben ja erhalten, es geht weiterhin darum, Mädchen und Frauen im Leistungsfußball ein Zuhause zu bieten. Dieses Zuhause ist jetzt rot, etwas größer geworden und kann das Potenzial der Philosophie noch besser entwickeln.
Gudrun Reinders: Und das Zuhause bleibt auch orange. Unsere Mädchen sind immer in orange aufgelaufen, der Drache war immer unser Glücksbringer. An beidem halten wir als unser Markenzeichen bei den Nachwuchsteams bis zur U12 fest. Die Mädchen wären uns sehr böse, wenn sie ihren Drachen nicht behalten könnten (lacht). Ab den Leistungsteams der U14 bedeutet der Namenswechsel auch gleichzeitig eine Aufbruchstimmung. Das spüren wir und die Spielerinnen freuen sich auch darauf.
Sie haben sich ein großes Netzwerk zur Unterstützung der Spielerinnen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aufgebaut. Welche Rolle spielt dieses Netzwerk.
Gudrun Reinders: Egal unter welchem Namen oder in welcher Farbe, dieses Netzwerk ist so immens wichtig für die Spielerinnen. Egal ob es um Förderung für die Schule geht, die Eröffnung von Berufsperspektiven oder einfach, dass Frauen als Vorbilder den Spielerinnen zur Seite stehen. Gerade die jungen Spielerinnen brauchen diese Unterstützung. Gemeinsam mit dem Zonta-Club (Netzwerk erfolgreicher Frauen, d. Red.) haben unsere Spielerinnen vor einiger Zeit einen Vortrag einer Ingenieurin bei Daimler gehört. Die hat als Studentin den Höhenweltrekord mit ihrem Raketenprojekt aufgestellt. Durch dieses Netzwerk können wir unseren Spielerinnen zeigen, was im Leben möglich ist. Das beeindruckt unsere Spielerinnen sehr.
Reden wir über sportliche Ziele. Vorhin sagten Sie, der Blick geht nach oben.
Maren Fuchs: Dafür muss man wissen, was wir alles aufholen müssen. Den Leistungsfußball der Juniorinnen gibt es ja faktisch erst seit Gründung des NFZ 2014. Das heißt, wir haben derzeit bei der Förderung im Nachwuchsbereich erhebliche Arbeit vor uns. Unsere jetzige U17 ist toll ausgebildet und sehr talentiert. Aber wegen der fehlenden Nachwuchsarbeit der vergangenen Jahre sind diese Spielerinnen im Durchschnitt 13, 14 Jahre alt und spielen gegen 16-Jährige. Und es fehlt noch das Scharnier zwischen Jugend und erster Mannschaft. Diese beiden Baustellen müssen wir als nächstes angehen.
Gudrun Reinders: Wir haben wirklich Glück, dass die beiden 2018 zu uns gekommenen Frauenteams hoch motiviert sind und das gemeinsame Projekt mittragen. Dass sie das Potenzial haben, haben sie ja gezeigt. Direkter Wiederaufstieg in die Regionalliga, mit 80 Toren seit Ewigkeiten die höchste Torquote in der Bayernliga und jetzt in der Regionalliga als Aufsteigerinnen mit elf Siegen aus 15 Spielen auf Platz zwei. Mit Gernot Haubenthal haben wir einen ausgezeichneten Trainer und mit 20 weiteren TrainerInnen und BetreuerInnen ein tolles Gesamtteam bei den Mädchen und Frauen. Da lenken wir natürlich den Blick nach oben, aber das braucht Zeit. Der Sprung in die 2. Bundesliga ist sehr schwer geworden, seitdem sie eingleisig ist. Aber den wollen wir mittelfristig schaffen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Maren Fuchs: Stabilität und ein professionelles Umfeld. Das gelingt nun durch die Zusammenarbeit zwischen uns, den Kickers und Flyeralarm. Normalerweise wünscht man sich ja immer bessere Trainingsbedingungen, aber ich wüsste nicht, was da jetzt nach der Modernisierung am Heuchelhof besser sein könnte. Sponsoren haben jetzt wirklich viele gute Gründe, unseren Mädchen- und Frauenfußball für sich als attraktiven Sport mit sympathischen Spielerinnen zu entdecken.
Gudrun Reinders: Wir werden einen „Sport-Hort“ gründen, in dem Mädchen nach der Schule betreut und sportlich gefördert werden. Wir wollen für die Mädchen die gleichen Bedingungen wie für Jungen schaffen, eben nur auf anderen und kreativen Wegen. Der „Sport-Hort“ ist einer dieser Wege. Zukünftig soll es auf eigene Sportklassen für den Mädchenfußball hinauslaufen. Das ist vielleicht ein Unterschied zu Männern in Vorständen (lacht). Wir suchen immer wieder den nächsten Schritt, noch besser zu werden. Das machen wir jetzt, als FC Würzburger Kickers Mädchen- und Frauenfußball.