Geht es nach der Anzahl der Absteiger im Vergleich zum Gesamttableau, dann ist wohl kaum die englische Premiere League sondern eher die heimische 2. Frauen-Bundesliga die mit Abstand härteste Liga der Welt. Wie die Kickers-Frauen in diesen Klassenkampf hinein geraten sind und welche Gefechte dabei das Team ausgetragen hat, ist Stoff genug für ein Dutzend Hinrunden-Rückblicke.
Wie meistens fängt alles ganz harmlos an. Ein kurzes Telefonat im Frühsommer des letzten Jahres verkündet dem Vorstand des Frauenfußballs am Heuchelhof den möglichen Aufstieg in die zweithöchste Spielklasse mittels Quotiententabelle. Obwohl drittplatziert hinter Freiburgs Reserve und dem FFC Frankfurt reichte die fulminante Hinrundenserie mit elf Siegen aus 16 Partien für das Ticket eine Etage höher. Insgesamt 2,6 Tore pro Spiel und ein Punkteschnitt von 2,06 waren aufgrund des Aufstiegsverzichts der Breisgauer und der Fusion des FFC mit der Eintracht aus Frankfurt der Grund für den Einstieg in die härteste Liga der Welt. Nur, das wusste zu dem Zeitpunkt noch niemand.
Denn der DFB hatte zwar bereits zur Bewerbung in das Unterhaus geladen, Modalitäten der Liga aber noch nicht verkündet. Letztlich wurde es eine zweigeteilte Staffel, Bundesliga-Nord und Bundesliga-Süd. Im Süden füllten neun Teams die Tabelle, im Norden acht Zweitligisten. Aus der Corona-Not machte der DFB eine Tugend, ließ 17 Teams für die 2. Bundesliga zu und wandelte diese Wohltat sogleich wieder in eine große Not um. Drei sichere Absteiger und ein Relegationsplatz sieht das Reglement der hohen Herren für die Bundesliga-Süd vor. Wenn vier Absteiger möglich sind, dann ist das eine Abstiegsquote von 44 Prozent. Man könnte auch sagen, die Chancen stehen Fifty-Fifty für Verbleib oder Abstieg in der Liga.
Selbst beim Roulette stehen die Chancen besser
Zum Vergleich kann die Abstiegschance der Vorjahre herangezogen werden. Sie lag dort bisher bei knapp über 20 Prozent. Ein auf drastische und rasche Reduktion der zweiten Liga bedachter DFB hat also innerhalb eines Jahres die sportliche Ausgangslage der Clubs im Frauenfußball um den Faktor zwei verschlechtert. Und um einen anderen Vergleich zu bemühen: die Chancen beim Roulette auf rot zu setzen und zu gewinnen sind besser als die Chancen auf einen Verbleib in der 2. Frauen-Bundesliga. Warum der DFB trotz der widrigen Bedingungen schlechtes Roulette spielen lässt, bleibt ein Geheimnis auf den Fluren der Fußballherrscher am Main.
Dass Würzburg aber dennoch auf die Teilnahme und natürlich auf die Farbe rot gesetzt hat, liegt auch an den Chancen der 2. Frauen-Bundesliga. Sie bietet die Möglichkeit für das junge Team, das in der zweiten Liga bestehende Leistungsniveau kennenzulernen und sich für zukünftige Aufgaben – egal in welcher Liga – zu rüsten. Zudem war den Rothosen das sportliche Risiko bewusst und fehlende Punkte in der Tabelle sind keine Verantwortung des DFB. Denn wenngleich der Verband im Spätherbst die 2. Frauen-Bundesliga ohne Zögern in die sportliche Starre verbannt hat, sind alle Teams dennoch mit gleichen Voraussetzungen durch die Hinrunde der härtesten Abstiegsliga seit Menschengedenken gezogen.
Stets ebenbürtig selbst gegen Klassenbullys
Gemeinsam war zum Beispiel allen Teams der Kampf mit dem DFB um die Bezahlung der so wichtigen Corona-Tests. Erst nach deutlichem Widerstand aus Würzburg, unterstützt unter anderem von den Bayern und Hoffenheimerinnen, wurden die Kosten nicht den ohnehin pandemiebedingt klammen Vereinen auferlegt sondern vom DFB höchstselbst bezahlt. Gemeinsam war auch allen Teams die nicht optimale Vorbereitung auf den Restart im März diesen Jahres. Unklare Starttermine und englische Wochen tragen auch am Beginn dieser Rückrunde nicht zur sportlichen Sicherheit aller Bundesligisten im deutschen Unterhaus bei.
Das gemeinsame Schicksal aller bedeutet demnach, den Blick für den Tabellenplatz im Klassenkampf auf die eigene Arbeit zu lenken. Gründe für vier Punkte und den vorletzten Tabellenplatz der Rothosen nach neun Spieltagen gibt es einige, im Team selbst sind sie nicht zu suchen. Gegen den Klassenbully aus Köln wurde ein 0:1 erzwungen, die Punkteteilung für die deutlich besseren Würzburgerinnen wäre verdient gewesen. Gegen Frankfurt und Saarbrücken rafften zwei späte Gegentreffer den Punkteerfolg dahin und in Ingolstadt reichten acht von 90 Minuten für den berüchtigten Deckel drauf. Aber immer war das Team leistungsmäßig ebenbürtig, als Aufsteiger in letzter Minute eine durch und durch kampfesmutige und gleichberechtigte Mannschaft.
Mit #AnlaufNehmen gehörig Zuversicht aufs Konto geschossen
So ist eine der Bilanzen dieser Hinrunde, dass gerade in einer so kleinen Staffel mit so vielen Abstiegsplätzen jeder Punkt entscheidend ist und jeder noch so knapp verlorene Kampf Tabellenschmerz mit sich bringt. Wiederholt formulierte Durchhalteparolen und das Prinzip Hoffnung sind wichtig für diese noch junge und trotz aller Rückschläge hungrigen und kampfeslustigen Mannschaft. Neue Impulse als Möglichkeit, Stärken der Hinrunde mit kleineren Veränderungen für die Rückrunde zu kombinieren haben nicht nur zum Motto #AnlaufNehmen für das Team geführt. Auch hat sich das Team um Spielführerin Luisa Scheidel mit dem 5:0-Kantersieg zum Rückrundenauftakt gehörig Zuversicht aufs Konto geschossen. In der definitiv härtesten Abstiegsliga der Welt – wohlgemerkt.
Foto: Paul Zottmann